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Gab es einen Mithraskult auf HOHEN RÄTIEN?

Auf den Spuren eines spätantiken Mysterienkultes (Diskurs um eine Hypothese)

Mit exakt-wissenschaftlichen Methoden lässt sich über ein vor-christliches Heiligtums auf HOHEN RÄTIEN zur Zeit noch keine verlässliche Aussage machen, denn so zahlreich die Hinweise auch sein mögen, sind sie doch zu wenig schlüssig, um als Beweise Stand halten zu können.
Trotzdem erlauben wir uns, die Hinweise hier aufzunehmen und diese höchst interessante Zeitperiode des Wettstreites zwischen den beiden einflussreichen Glaubensrichtungen darzulegen und zu diskutieren.

Hinweis 1: Fehlende Merkmale einer frühchristlichen Kirche

"Die Sakralbauten (...von HOHEN RÄTIEN) scheinen einige Besonderheiten im Vergleich zu den bekannten frühchristlichen Kirchen aufzuweisen. Das Baptisterium (A) wurde einem älteren Bauwerk (B) angefügt, das im Grundriss eine Dreiteilung aufweist. Der mittlere Abschnitt weist einen Mörtel-Estrich auf, sodass man daran denken könnte, dass die beiden seitlichen Abschnitte ursprünglich von Liegebänken bedeckt waren, wie wir sie aus Heiligtümern des Gottes Mithras kennen. Die Tatsache, dass das Bauwerk B keinen sichtbaren Hinweis auf eine Klerusbank besitzt, ist auch in anderen frühen Kirchen der Schweiz zu beobachten."
(Prof. Franz Glaser, Klagenfurt)


Hinweis 2: Kontinuität


Aus vielen Grabungen von römischen Stellungen und Garnisonstätten (zB. dem alten Limes entlang bis Norddeutschland) hat man genaue Kenntnis über die Verbreitung von vor-christlichen Religionen. Die geografische Nähe einer Fundstelle von Zillis am Südrand der Viamala (6km Luftlinie), wo in den 1990er Jahren eine spätrömische Mithrashöhle nachgewiesen wurde, macht die Möglichkeit einer ebensolchen Tempelanlage auf HOHEN RÄTIEN denkbar.

(Bild: Weiheschale des Mithras, Fundstelle Zillis)


Allein schon die Tatsache, dass an topografisch ungünstiger Stelle am nord-östlichen Rand des Plateaus von HOHEN RÄTIEN mit dem Bau eines Baptisteriums und mehreren, immer wieder erweiterten Kirchenbauten eine mehr als 1000 Jahre lang anhaltende christliche Tradition Einzug hielt, mag als Hinweis dienen, dass eine starke religiöse (vor-christliche) Bindung an den Ort bereits vorhanden war.

Hinweis 3: Gebäudegrundriss


Das ursprüngliche spätrömische Gebäude (Phase blau) weist keine typischen Merkmale einer frühchristlichen Kirche auf. (s. oben) Trotzdem wird die Idee eines Mythräums von Wissenschaftern zurückgewiesen, mit der Begründung, dass diese typischerweise in Felshöhlen anzutreffen waren.
Dem ist entgegen zu halten, dass, wenn dies auch südlich der Alpen mehrheitlich zutrifft, nördlich der Alpen auch die oberidische Form eines Mithräums mit einer Holzdachkonstruktion verbreitet (s. Abbildung) und daher auch auf HOHEN RÄTIEN nicht vollends auszuschliessen ist.



Hinweis 4: Historische Gegebenheiten

Der Fund einer spätrömischen Münze (Prägedatum 353 n. Chr.) im Fundament des ältesten Gebäude weist auf eine Entstehungszeit Mitte des 4. Jh. hin, Zeit des Kaisers Julian (331 bis 363 n. Chr.), desjenigen also, der die heidnischen Kulte erneuern wollte und der Verbreitung der alten Mithrasreligion Vorschub leistete.
Erst mit dem Verbot aller nicht-christlichen Reglionen - bei Todesstrafe! - durch Kaiser Theodosius im Jahr 391 n. Chr. wurde eine weitere Ausübung des Mithraskultes gerade für loyale Angehörige des Militärs und der römischen Verwaltung unmöglich. Es liegt daher nahe, dass man sich unter diesem Druck entschloss, fortan dem Christengott zu huldigen - ein Wechsel, der deshalb wohl leicht fiel, da das Christentum zentrale Themen mit dem Mithraskultes teilte: Göttliche Geburt am 25. Dezember, Tod und Auferstehung in den Frühlingswochen, Abendmal, Taufe etc.

Wenn man weiss um dem offenen Kampf zwischen dem weit verbreiteten Mithraskult und dem aufkommenden Christentum, welcher im 4. Jh. im Weströmischen Reich beinahe staatsbedrohliche Ausmasse annahm und schliesslich zum Verbot der alten Religion und zum Siegeszug des neuen Glaubens führte, so ist es auch durchaus möglich, dass ein Mithrasbau der erste religiös genutzte Bau auf HOHEN RÄTIEN war, der dann nach der Wende zum Christentum als Staatsreligion rasch und ohne grosse Umstände christlich umgenutzt wurde. Für solche Umdeutungen gibt es einige Beispiele in der Frühgeschichte des Christentums.

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